Alte Schule

 Alte Schule...
Wenn man den Begriff so hört, denkt man Handkuss, Tür aufhalten, Stuhl zurecht rücken und so weiter... Der gute alte Knigge halt.

Aber was bedeutet dieser Begriff im Zusammenhang mit BDSM? Viele lesen von der alten Schule im Profil oder werden angeschrieben von jemandem, der betont er sei ein "Dom der alten Schule".
Aber ist dem immer so? Spricht man sie an, was damit gemeint ist, wird oftmals herumgedruckst und dann beruft man sich auf den alten Knigge und dem was dort vermittelt wird. Man sei ein "Kavalier und Gentleman".

Dabei hat der Begriff im D/s Bereich eine andere Bedeutung. Er steht für eine Philosphie, ein Gefühl, eine Lebenseinstellung in diesem Bereich. Ja, es ist vom Aussterben bedroht und die "Anhänger" werden in Zeiten Konformismus und der Gleichstellung von alles und jedem auch immer weniger.
Dies soll kein Angriff auf die "neue Schule" sein. Kein "ihr macht es aber falsch". Jedem Tierchen sein Plaisirchen. Solange die Menschen damit glücklich sind ist es toll.
Es ist meine Art. Wie ich für mich D/s sehe und versuche zu leben. Was es für mich bedeutet. Ohne Wertung, nur erklärend.

Zuerst einmal: Es gibt bei der "alten Schule" keine Augenhöhe. Nein, nicht in Bereichen außerhalb des Schlafzimmers und auch nicht in anderen Bereichen.
Ein "das und das und das ist Tabu. Und dieses auf der Liste auch noch" gibt es dort nicht von Sub. Es gelten die Tabus des Herrn.
Auch ein "Kann ich nicht" oder "mach ich nicht" von sub wird man dort nur schwerlich finden.

Auch von der dominanten Seite wird man nicht vorfinden, dass immer wieder nachgegeben wird, dass sich immer wieder an sie angepasst wird.
Er gibt die Richtung vor, er entscheidet und gut ist.
Das heißt nicht, dass er sich nicht auch ihre Meinung anhört. Das heißt auch nicht, das er nicht auf sie eingehen würde. Aber er ist derjenige, der die Verantwortung trägt und der die Entscheidungen trifft. Sein Wort ist Gesetz.

Es existieren auch gewisse andere Wertevorstellungen, Verhaltenskodexe oder Rituale. Sei es, dass man den dominanten Part immer als erstes begrüßt. wenn man ein Pärchen trifft und nicht "Ladys first" oder das Küssen der Füße/Fußspitzen zur Begrüßung zum Beispiel.
Alles hat seine Bedeutung und wird nicht ohne Grund praktiziert. Man macht sich auch über Kleinigkeiten Gedanken.

Es fängt schon damit an, dass das Kennenlernen auf einer ganz anderen Ebene abläuft.
Wir leben in einer "Ex und Hopp" Gesellschaft. In der fast alles Konsum ist und selbst Beziehungen mittlerweile schnell gehen müssen. Ein "höher, schneller, weiter" auch in diesem Bereich.
Anders, wenn man jemanden kennenlernt, der von der alten Schule ist. Da fragen sich viele subs, ob der Herr überhaupt Interesse an einer Beziehung hat, weil es sich hinzieht und dauert.

Es wird erstmal viel über alles mögliche geredet, und wenig über BDSM. Warum auch, wenn ich weiß das derjenige auch ein BDSMer ist. Da ist es viel wichtiger erstmal herauszufinden, wie kompatibel man von den Ansichten, der Einstellung, dem Geschmack zueinander ist.
Wenn dann das Thema BDSM auf den Tisch kommt, wird auch viel geredet und nicht gleich gespielt. Es wird in Gesprächen auch um Tabus gehen. Warum sie da sind, warum man diese hat. Einfach, weil ein "weil ich es nicht mag" keine adäquate Begründung dafür ist. Und weil man auch wissen sollte, ob vielleicht mehr hinter einem Tabu steckt als man denkt und man durch andere Handlungen, die vielleicht nicht tabu sind trotzdem ein Minenfeld betreten könnte, welches Flashbacks auslöst. Denn das möchte man nicht und versucht es tunlichst zu vermeiden.

Wenn man sich dann nach längerer Zeit noch weiter angenähert hat (wir reden hier nicht von Tagen oder Wochen, sondern auch teilweise schon noch länger) dann wird auch nicht gleich losgelegt.
Er kennt die Tabus, kennt ihre Grenzen, ihre Träume, ihre Phantasien... aber bis es zu einer ersten "richtigen" Session kommt, vergeht auch nochmal ordentlich Zeit. Zeit, in der man sich noch weiter kennenlernt. Schaut, ob es wirklich passt. Ob es sowohl für ihn als auch für sie das richtige ist. Und in der man sie in, ich nenne es jetzt mal einfach so, "kleinen Sessions" besser fühlen lernt. Ihre Reaktion auf gewisse Reize. Um dann, wenn es soweit ist, auch richtig zu agieren und reagieren zu können.
Denn wenn es losgeht, geht es los. So wie er es will und für richtig erachtet. Da wird vorher nicht mehr diskutiert, wo oder wie. Auch nicht über das wann. Und schon gar nicht über das womit. Es ist alles vorher in den Wochen und Monaten besprochen worden.

Nun hören viele "Wochen, vielleicht Monate"... Himmel, wieso so lange?!
Einfach weil in dieser Zeit die Grundlagen gelegt werden für das spätere Miteinander. Für eine Beziehung. Für alles danach und das Vertrauen dafür aufgebaut wird.
Ja, auch solche Beziehungen können scheitern. Aber ein "Bäumchen-wechsel-dich" wird man dort nicht finden. Es ist kein "verliebt-verlobt-gevögelt". Es ist alles auf Langfristigkeit ausgelegt.
Salopp ausgedrückt: Wenn ich was zum Vögeln will, dann kann ich das in der Kneipe um die Ecke finden. Dafür muss ich mir kein BDSM-Mäntelchen umhängen. Aber eine passende sub... die ist ein Diamant. Und den möchte man behalten und nicht mal auf die Schnelle durchziehen.

Diese Art von Sub, die das auch so möchte, das sie die Verantwortung abgibt... das sie dienen kann und eine Wertschätzung erfährt, die sie sonst so nie erfahren würde, sind heutzutage selten. Sie sind ungeschliffene Rohdiamanten und mit der Zeit entwickelt man einen Blick für sowas. Es sind Sätze, Reaktionen, kurze Verhaltensweisen, die einen aufmerksam werden lassen. 

Wenn man solch einen Diamanten bekommt, und ihn poliert, wird man feststellen, wie er anfängt zu glänzen. Je mehr sie so leben, je freier werden sie dadurch. Je mehr werden sie sie selbst und strahlen von innen heraus. Voller Selbstbewusstsein und dem Wissen, endlich sie selbst zu sein und sein zu dürfen.

Es gibt noch mehr, was die alte Schule ausmacht. Aber das ist etwas, was ich mir für einen weiteren Blog aufhebe. Für heute soll es erstmal genug sein.


Herzlichst

Onkel Wabi

 

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