50 Tage - Eine Zwischenbilanz

 Mittlerweile sind 50 Tage vergangen, seit ich meinen Unfall hatte.
50 Tage, in denen kein Ende absehbar war. Jetzt endlich ist zumindest ein weiterer Schritt in Aussicht.

 Der 16. Juni... ein Tag der mein Leben umkrempelte.

Alles begann ganz normal. Nichts deutete auf die Veränderungen hin.
Um halb elf rief ein Kunde an. Die Ware, die er geschickt habe sei nicht komplett und würde nicht für den ganzen Auftrag reichen. Also raus auf den Hof und kontrollieren, wieviel es denn genau ist.

Auf dem Weg zurück ging ich im Kopf durch, wie lange die Ware reichen würde bei welchem Pensum, bevor Nachschub kommen müsste, als ich im Rücken einen Schlag spürte, der mich zu Boden schickte.
Es war unser Staplerfahrer der rückwärts fuhr und mich nicht gesehen hatte. Ich schrie, noch vor Wut, und versuchte instinktiv zur Seite zu rollen. Ein kurzer Stop, doch dann fuhr er weiter. Und zwar direkt über meinen linken Unterschenkel. 

Jetzt schrie ich ich richtig. Vor Schmerzen. Zum Glück war denn sehr schnell ein Arzt und ein RTW vor Ort. 
Zu dem Zeitpunkt dachte ich noch, ein paar Schmerztabletten, eine Prellung, vielleicht eine Woche zu Hause und alles ist vorbei. Tja, falsch gedacht.

Im Krankenhaus kam als erstes die Aussage, dass es drei Spiralbrüche seien. Ich müsste operiert werden und dafür in ein anderes KH verlegt werden. Dort angekommen musste ich noch bis zum Abend warten, bis die Schwellung soweit runtergekühlt und abgeschwollen war, dass ich operiert werden konnte. An die Nacht und den kommenden Tag habe ich kaum noch Erinnerungen. Ich weiß nur, dass Adrenalin scheinbar ein guter Schmerzblocker ist. Am Freitag Mittag sank dieser Pegel nämlich langsam und ich hatte nur noch die Opiate als Schmerzmittel, was bedeutete, dass diese erhöht werden musste.

Ich schlief viel und versuchte trotzdem noch das Heft in der Hand zu halten. Rainha wollte vorbeikommen, aber ich sagte ihr, das wäre nicht gut. Zum einen durfte nur eine Person einen besuchen, und das auch nur maximal eine Stunde am Tag. Und dafür die ganze Fahrt.... das wäre rein logisch betrachtet nicht sinnvoll. Zum anderen wollte ich auch nicht, dass sie mich so sieht. So hilflos.

Am Montag war die zweite OP und als der Fixateur abkam, war ich voller Zuversicht. Ich hörte etwas, das ich neben den 3 Spiralbrüchen auch eine Weber C Fraktur im Sprunggelenk habe, aber auch wenn Rainha mir versuchte es zu erklären, so tat ich es ab. So schlimm wird es schon nicht sein.

Als ich dann an dem Donnerstag entlassen wurde und mein Chef mich abholte, dämmerte mir langsam, was ich für ein Glück hatte. Bei dem ganzen "Pech" hatte ich noch ein Riesenglück, dass ich so gefallen bin, wie ich gefallen bin. Ansonsten wäre ich jetzt querschnittsgelähmt oder "six feet under".

Jeder Meter war schwierig für mich. Jede Bewegung erschöpfte mich. Als Rainha mich dann an dem darauffolgenden Wochenende besuchte, war das rückblickend betrachtet, der Knackpunkt innerlich für mich.
Ich war so sehr auf ihre Hilfe angewiesen... Ich, der ansonsten immer das Heft in der Hand hielt und es so sehr genossen habe wie sie mir dient... ich konnte es nicht annehmen. Es fühlte sich alles falsch an. Ich konnte ja gar nichts. Nicht mal ein paar Meter mich bewegen, ohne kaputt zu sein.

In mir schlich sich langsam das Gefühl ein nutzlos zu sein. Eine Last. Mein Kopf kam nicht damit klar, was mein Körper machte. Selbstzweifel nagten an mir. Ich dachte nicht, dass ich ihr ein guter Herr sein könne und zog mich noch mehr zurück. Ich wollte keine Last sein. 

Das Wochenende, als mich Rainha dann zu sich holte war auch dementsprechend. Ich hatte immer wieder was zu meckern. Nicht an ihr. An der Situation und an mir. 
Als sie mich dann zurückbrachte und wir bei mir Kaffee getrunken haben, sagte ich ihr, dass es so schön war, mal rauszukommen, aber ich das Gefühl habe, das irgendwas nicht stimmte. Ich forderte sie auf, mir schonungslos ihre Meinung zu sagen. Tja, und was ich dann zu hören bekam, ließ mich immer stiller werden. War ich wirklich so geworden, wie sie mich schilderte? Miesepetrig, mit allem und jedem hadernd? Das Schicksal verfluchend und mich selbst darin suhlend?

Ich musste erkennen, dass dem so war. Ja, sie hatte Recht. Aus dem Optimisten war ein Pessimist geworden, und mit dem Optimisten hatte sich der Herr zurück gezogen. Ich war erschrocken, aber dieser harte Weckruf tat mir gut. 
Ich weiß nicht wie und warum, aber danach machte es "klick" in mir und der Schalter wurde wieder in die richtige Position geschoben.

Nach dem Wochenende jetzt kann ich sagen "ja, es hat wirklich klick gemacht". 
Ich bin zwar noch lange nicht der Alte (körperlich gesehen), aber innerlich ist der Herr wieder sehr präsent. Der Herr in mir musste schmerzhaft lernen, dass er nicht immer das Ruder in der Hand hält und das er in solchen Situationen doch nicht nutzlos ist.

Morgen steht wieder eine OP an, in der 2 von... mhm,.... vielen Schrauben und Drähten entfernt werden.
Aber nichts desto trotz, und auch wenn ich noch mindestens ein, eher zwei Jahre damit zu tun haben werde, ist es ein großer Schritt für mich. Denn danach werde ich wieder laufen können. Alleine. Nicht mehr auf Hilfe angewiesen sein, sondern schon viel mehr selbständig regeln können. 

Es mag wie ein Widerspruch wirken, aber ich bin ja ein wandelnder Widerspruch:
Je mehr Ruhe ich habe, desto unruhiger werde ich.
Und je mehr Unruhe es gibt, desto ruhiger werde ich innerlich.

Also: Möge bald das Chaos um mich rum wieder regieren.

Herzlichst,

Onkel Wabi

P.S,;

Ich weiß, wie schwer ich in den letzten Wochen war und wie schwer es für Rainha war, und ich bin ihr unsagbar dankbar dafür, dass sie zu mir hielt, mir Mut machte, nicht die Hoffnung aufgab und mir gehörig den Kopf gewaschen hat. Danke für alles, meine Königin.

Allen anderen möchte ich auch herzlich danken für die guten Wünsche. Sie taten gut und ich habe mich aufrichtig gefreut. Der Wabi wird euch also noch länger erhalten bleiben. 



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